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Stefan

aus Saarbrücken (Deutschland)

Beidseitig implantiert
Cochlea-Implantatbenutzer
Krankheit
Frühpensionierter Krankenpfleger

Stefan Fröhlich aus Saarbrücken war Krankenpfleger und hat sein Gehör durch eine seltene Nervenerkrankung verloren. Seit 2015 trägt er auf beiden Ohren ein Cochlea-Implantat.

Stefan ist Botschafter weil:

Ich finde es wichtig, dass man mehr über CIs erfährt. Dass sich Betroffene trauen, etwas auszuprobieren. Sie sollen Mut fassen und über das Thema sprechen. Aufgrund der schwierigen, aber auch der positiven Situationen, die wir durchlebt haben, entschlossen wir uns, Botschafter zu werden. (Anmerkung: Stefans Sohn Tom ist auch Botschafter.) Andere sollen wissen: Man ist nicht alleine damit. 

Erfahrungsbericht Stefan

1. Wie stark ist dein Hörverlust? Wann und warum ist dein Hörverlust aufgetreten?
Der Hörverlust ging parallel mit meinem Krankheitsbild im Oktober 2010 los: Ich habe zuerst auf der linken Seite immer schlechter gehört. 2011 war dann auch das rechte Ohr betroffen. Das Schlecht-Hören ging relativ schnell und ich bin zügig mit Hörgeräten versorgt worden.
Das klappte auch ganz gut: Ich konnte mit den Hörgeräten noch einmal ganz gut Hören, aber es ging einher mit einem weiteren Verfall des Hörorgans. Der rasante Hörverlust durch die Krankheit war schlussendlich nicht mehr mit Hörgeräten, sondern nur mehr mit CIs kompensierbar.
2. Wie hast du persönlich den Hörverlust empfunden?
Der Hörverlust hat mich sehr stark beeinflusst: Ich glaube auch, ich habe depressive Züge entwickelt. Ich persönlich war und bin immer ein sehr kommunikativer Mensch. Es hat mir sehr zu schaffen gemacht, dass ich nicht mehr dabei war: Ich war – hörtechnisch gesehen – weg von der Familie. Ich habe mich nicht mehr so an Gesprächen beteiligt, meine Frau hat viel geregelt und die Kinder haben sich einiges untereinander ausgemacht. Ich war dabei, aber irgendwie doch nicht.
Man geht auch nicht mehr auf Feste, zu denen man eingeladen ist oder in Restaurants, weil man nichts mehr versteht. Dann macht es keinen Spaß mehr. Es tut nicht weh, aber es isoliert eben. Wenn man etwa auf einer Geburtstagsfeier ist und Bekannte trifft, die man nicht so oft sieht und sich mit ihnen unterhält, dann spürt man auch: die Leute wenden sich ab und suchen ein anderes Gespräch – weil es zu anstrengend ist. Ich bin nicht böse deswegen, aber es ist so. Und das merkt man natürlich auch.
3. Wurdest du von Familie, FreundInnen oder ÄrztInnen unterstützt?
Meine stärkste Unterstützung war meine Familie, die sehr geduldig mit mir war. Die Familie war das A und O. Wenn ich sie nicht gehabt hätte – und es gab auch schlechte Zeiten – dann weiß ich nicht, wie ich die ganze Situation überstanden hätte. Außerdem gab es Freunde, Verwandte, Bekannte: Die Strukturen waren sehr gut.
Zusätzlich hatte ich in dieser Zeit eine sehr gute Akustikerin, die mich mit ihrem Rat und auch mit Hilfsmitteln, z.B. einer FM-Anlage, sehr unterstützt hat. Aber irgendwann waren auch ihr die Hände gebunden und sie hat gesagt, es werde langfristig auf ein Cochlea-Implantat hinauslaufen.
4. Wann und wie hast du von der Möglichkeit eines Hörimplantats erfahren?
Ich selbst hatte am Rande schon früher einmal von CIs gehört. Letztendlich hat mich aber meine Akustikerin auf den Weg gebracht und mir diese Möglichkeit aufgezeigt. In der neurologischen Klinik in Heidelberg, wo ich wegen meiner Grunderkrankung behandelt wurde, haben mich die ÄrztInnen dann den KollegInnen aus der HNO vorgestellt.
Mein Hörverlust war damals schon so weit fortgeschritten, dass ich mir dachte: Schlechter kann es nicht mehr werden. Mir war aber natürlich auch bewusst, wenn das CI implantiert ist, verliert man mit 95 prozentiger Wahrscheinlichkeit auch das Restgehör. Ich hatte auch Angst vor der OP, aber ich bin positiv geblieben. Schlechter konnte es ja nicht mehr werden. Aber die OP selbst war problemlos: Ich war fünf Tage im Krankenhaus und ich hatte keine Schmerzen, ein Zahnarztbesuch ist schlimmer.
5. Wie erging es dir nach der Implantation?
Das war sehr emotional. Ich habe mein erstes Implantat im Oktober bekommen. Am 17. November wurde es zum ersten Mal eingestellt. Und ich konnte schon gleich nach der Einstellung Stimmen hören, ganz hoch, ganz piepsig. Aber ich konnte Stimmen hören, das war ganz phänomenal: Ohne Training, gleich beim ersten Mal.
Ich bin dann nach Hause und habe meine Lieblings-CD eingelegt, bin mit dem CI ganz nah an die Boxen herangegangen und habe den Text verstanden. Das war unglaublich.
Bei der Ersteinstellung hat man mir außerdem Übungsblätter mitgegeben. Meine Tochter hat mir die Übungswörter dann vorgelesen und ich habe gesagt: „Lies mal was Schweres.“ Es war zu leicht! Man kann sagen, ab dem ersten Tag ging es wieder los mit dem Hören.
Dann war ich wöchentlich in der CI-Sprechstunde. Ich habe nur eine ambulante Reha gemacht und mein CI wöchentlich eingestellt bekommen. Ich hatte etwa sechs bis sieben Einstellungen und es wurde von Woche zu Woche immer besser. Auf meinem rechten Ohr trug ich damals noch ein Hörgerät, aber mit meinem ersten CI auf der linken Seite konnte ich schon nach knapp sechs Wochen alles hören.
6. Was ist für dich das Schönste daran, wieder hören zu können? Was hat sich durch die Implantate verändert?
Durch den Hörverlust war ich – wie beschrieben – weg von meiner Familie. Die Implantate haben mich sozusagen wieder ins Leben gerufen. Ich musste mich dann erst wieder daran gewöhnen, dass ich wieder höre und wieder dabei bin. Das war auch noch einmal ein Prozess, der ein bisschen gedauert hat. Ich musste vieles aufholen.
Jetzt höre ich mit meinen zwei Implantaten sicherlich 90 Prozent, würde ich sagen. Ich gehe ins Theater, ins Kino, besuche große Feiern und Geburtstage, das ist alles kein Problem. Und alle Stimmen verstehe ich so, wie ich sie kenne. Die Stimmen sind nicht irgendwie mechanisch oder hallend. Ich verstehe die Stimme, auch im TV oder beim Musikhören, so wie früher.
7. Was möchtest du Betroffenen und Angehörigen mit auf den Weg geben?
Man soll unbedingt sofort etwas gegen Hörverlust unternehmen: Wartet nicht zu lange. Ich rate, direkt zum Akustiker zu gehen, zum HNO-Arzt, und das abklären zu lassen. Das Schlimmste ist eigentlich zu warten, bis es ganz schlecht wird. Als ich den ersten Hörverlust auf dem linken Ohr hatte, da habe ich das am Anfang natürlich wahrgenommen, aber es hat eine Zeitlang gedauert. Ich habe gedacht: „Ich habe ja noch das rechte Ohr, mit dem höre ich ja noch ganz gut.“ Mit dem Ohr kompensiert man dann. Nur hat das bei mir dann so einen rasanten Verlauf genommen, dass die Kompensation nicht mehr half. Deshalb wurde ich auch innerhalb eines halben Jahres mit Hörgeräten ausgestattet. Das dauert bei anderen oft Jahre, je nachdem wie gravierend der Hörverlust ist. Auf jeden Fall empfehle ich, direkt zu reagieren.
Stefan und sein „Knopf am Kopf“, ein Artikel der Rhein-Neckar-Zeitung vom 25./26. Januar 2020