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Goldstandard-Hörlösungen, Gentherapie und Erfolgsgeschichten

Prof. Dr. med. Mark Praetorius hält einen von deutschlandweit nur drei Lehrstühlen für Otologie (Ohrenheilkunde) in Hamburg. Wir baten den EWH-Experten zum Interview.

EWH: Herr Professor Praetorius, wie gut wissen Patienten, die zu Ihnen kommen, über Hörlösungen im Allgemeinen und Hörimplantate im Besonderen Bescheid?

PROF. PRAETORIUS: Es gibt zwei Extreme: die eine Gruppe fragt mich nach Laser- bzw. Gentherapien oder der Verpflanzung von Innenohren zur Behandlung ihres Hörverlusts. Die andere Gruppe lehnt sichtbare Hörlösungen kategorisch ab – nach dem Motto: „Wenn man es sieht, dann will ich es nicht“.
Die überwiegende Zahl meiner Patienten jedoch kommt auf Drängen von außen und möchte sich erst Lösungsvorschläge anhören, ohne besondere Vorkenntnisse. Zusammenfassend stelle ich ein großes Informationsdefizit fest.

EWH: Wie ist die Bereitschaft der älteren Bevölkerung, sich implantieren zu lassen?

PROF. PRAETORIUS: Die Frage, ob es sich aus Alterssicht noch „lohnt“, kommt tatsächlich häufig. Die allermeisten älteren Patienten sind nach der Cochlea-Implantat Versorgung ein bisschen verärgert darüber, dass sie sich damit so lange Zeit ließen. Teils sind das informierte Menschen, die abwarten wollten, vielen jedoch wurde vor Jahren aktiv abgeraten, sich operieren zu lassen. Das wundert mich zutiefst. Denn es hätte nur jemanden gebraucht, der ihnen sagt: „Mach das mal, das wird schon gut!“

EWH: Besteht im niedergelassenen Bereich noch Aufklärungsbedarf?

PROF. PRAETORIUS: Die meisten der heute tätigen niedergelassenen HNO-Ärzte sind in ihrer Ausbildung irgendwann mit dem Cochlea-Implantat in Kontakt gekommen und haben Erfolgsgeschichten persönlich erlebt. Die Generation jener HNO-Ärzte, die Hörimplantate als experimentell abtat, ist mittlerweile großteils im Ruhestand.

Ein wenig anders liegt die Sache bei den Hausärzten. Sie wissen zwar grundsätzlich und theoretisch um die Möglichkeit einer CI-Versorgung, aber nur wenige erleben Erfolgsgeschichten hautnah. Und das Wieder-Hören-Können bei betagten Menschen ist eine Erfolgsgeschichte. Wer das direkt erlebt hat, empfiehlt Hörimplantate aus innerster Überzeugung weiter. Dafür braucht es bei vielen Allgemeinmedizinern aber noch mehr Zeit.

EWH: Sie selbst haben rund 25 Jahre auf dem Gebiet der Gentherapie geforscht. Können Sie schwerhörigen Menschen Hoffnung auf baldige Heilung ihres Hörverlusts durch Gentherapie machen?

PROF. PRAETORIUS: Ich habe viel Arbeit in diese Forschung gesteckt; versucht, funktionsfähige Hörsinneszellen nachwachsen zu lassen. Ehrlich gesagt bezweifle ich, dass in den nächsten 15 Jahren derartige Therapien in die breite Anwendung kommen. Hier liegt noch ein sehr langer Weg vor uns.

EWH: Frustriert Sie das?

PROF. PRAETORIUS: Nicht übermäßig, weil wir mit Hörimplantaten Goldstandardlösungen zur Verfügung haben, um auch Menschen mit hochgradigem Hörverlust zu helfen. Außerdem hat die Forschung auf dem Gebiet der Gentherapie die Otologie auch weitergebracht. Das Innenohr ist ein in sich geschlossener Flüssigkeitsraum, in den man etwas einführen kann, was den restlichen Körper nicht zwingend in großem Umfang mitbetrifft. Ein ideales Zielorgan also. Mit Elektrisch-Akustischer Stimulation, Medikamentenabgabe direkt in die Cochlea und sanften Operationsmethoden haben wir Therapien geschaffen, die uns ungeahnte und grandiose Möglichkeiten zur Wiederherstellung der Hörfunktion eröffneten, ohne dass wir dabei die delikaten Strukturen des Innenohrs in Mitleidenschaft ziehen.

EWH: Ihr wichtigster Rat für Ihre Patienten?

PROF. PRAETORIUS: Wer ein Hördefizit an sich oder einem lieben Menschen entdeckt, sollte sich genau anschauen, welche Abhilfen es gibt. Und diese ausprobieren, und nicht einfach aus oberflächlichen Gründen ablehnen. Denn solange man etwas nicht probiert hat, wird man nie wissen, ob es gut ist. Mut zum Wagnis, vor allem auf einem so gut erforschten Gebiet wie der Hörimplantation, deren Risiken vollkommen überschaubar sind. Denn die Erfolge mit Cochlea-Implantaten und anderen Hörimplantaten sind belegbar und sprechen für sich!

EWH: Herr Prof. Praetorius, wir bedanken uns für das Gespräch!