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Hören und der Zauber der Physik – Teil 1: Richtungshören

Die Akustik, auch Lehre vom Schall genannt, ein Teilbereich der Physik, spielt beim Hören eine maßgebliche Rolle. Endlich Wieder Hören hat sich anlässlich einer Veranstaltung am Tag gegen Lärm im Institut für Schallforschung (ISF) Wien auf Experimentierreise begeben. In einer Kurzserie zur „Physik hinter dem Hören“ geben wir Ihnen interessante Einblicke dazu.

Im ersten Teil unserer Serie befassen wir uns mit dem Richtungshören. Grundvoraussetzung für das Richtungshören und somit das Orten von Geräuschen sind zwei Ohren oder zwei perfekt aufeinander abgestimmte Hörhilfen.

Mikrofone für Richtungshören, Aufgenommen im ISF (Institut für Schallforschung)

Die Phase – der zeitliche Bestandteil

Um das Orten von Geräuschen geht es auch bei der Aufteilung des Schallsignals in seine einzelnen Komponenten. Es ist faszinierend zu erleben, wie man durch die Verschiebung der zeitlichen Komponente eines Schallsignals, der „Phase“, in die Irre geleitet wird. Das Geräusch, das vermeintlich von rechts erklingt, kommt nämlich in Wirklichkeit von vorne. Dieser Effekt tritt bereits ein, wenn ein Teil des Schallsignals minimal später im Gehirn ankommt. Und minimal bedeutet in diesem Fall etwa eine Millisekunde. Bilaterale Nutzer von Hörhilfen erleben das, wenn die Geräte nicht optimal aufeinander abgestimmt sind. Eine genaue Lokalisierung wird dadurch unmöglich. Denn unser Gehirn ist es gewohnt, dass Schallsignale von beiden Ohren gleichzeitig ankommen.

Lautsprecherarray

Viel Konzentration erfordert das Verstehen in lauter Umgebung, auch als Cocktailpartyeffekt bekannt. Im ISF Wien dient ein Studio mit Lautsprecherarray, einem kugelförmigen Aufbau aus 91 einzeln ansteuerbaren Lautsprechern, der Erforschung des räumlichen Hörens.

Lautsprecherarray, Aufgenommen im ISF (Institut für Schallforschung)

Beim Versuchsaufbau in diesem Studio gilt es, einen Sprecher von vorne zu verstehen, der immer den gleichen Satz spricht. Das schwierige dabei: Außer ihm reden rundherum zahlreiche andere Menschen wild durcheinander. Man hört Stimmen von rechts, links, oben, unten und von hinten. Die Aufgabe, den Sprecher von vorne zu verstehen, ist in dieser Situation auch für Normalhörende kaum zu meistern. Instinktiv dreht man den Kopf zur Seite, um den gewünschten Sprecher besser zu verstehen.

Von der Theorie zur Praxis

Was sind die praktischen Anwendungen der experimentellen Audiologie, wie dieser Forschungsbereich im Fachjargon heißt?

Die Erkenntnisse und Berechnungen aus den Experimenten im Lautsprecherarray-Studio sollen Aufschluss darüber geben, wie Schallsignale verarbeitet werden müssen, um sie in jeder Situation richtig orten zu können. Das gleiche gilt für die Aufteilung von Schall in seine einzelnen Komponenten und das Experimentieren mit den Phasen.

Stimmgabel für Knochenbrüche, Aufgenommen im ISF (Institut für Schallforschung)


Ziel natürliches Hören

Die beidseitige Versorgung mit Hörimplantaten ermöglicht den Nutzern, seitlich von links und rechts kommenden

Schall zu orten. Das erleichtert das Verstehen von Sprache in lauter Umgebung enorm. Sobald Geräusche jedoch von oben, unten, vorne oder hinten kommen, wird es für CI-Nutzer deutlich schwieriger, sie genau zu orten. Gerade bei implantierten Kindern, die sich im Straßenverkehr bewegen, wäre das jedoch besonders wichtig. Das aus der Forschung mit Lautsprecherarrays und Phasen gewonnene Wissen fließt direkt in die Entwicklung von CI-Audioprozessoren ein und soll NutzerInnen von Hörimplantaten ein möglichst natürliches Klangerlebnis liefern.

Unser Tipp:

Zum Abschluss noch ein Tipp für Ihren nächsten Kinobesuch, egal ob mit oder ohne Hörhilfen: das beste Klangerlebnis genießen Sie genau in der Saalmitte, denn auf diesen Punkt ist die Tonanlage eines Kinos ausgerichtet.