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„Ich weiß genau, wofür ich arbeite“

Felix Fischer wollte einen Beruf finden, in dem er stets motiviert sein würde. Also hat er sich für ein Aufgabenfeld entschieden, in dem er durch seine persönliche Geschichte täglich angespornt wird: Felix, der selbst Cochlea Implantate (CI) trägt, entwickelt nun die nächste Generation der Hörlösungen.

„Es gibt sehr viele Mitarbeiter, die schauen sich Videos von Menschen an, die eine Erstanpassung haben. Dann wissen sie, warum sie diesen Job machen. Aber ich kann das natürlich auf einem anderen Niveau nochmal nachfühlen.“, sagt Felix. Der 27-jährige wurde in den letzten zwei Jahren erst auf der linken, dann auf der rechten Seite implantiert. Nun feilt er als Mitarbeiter in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von MED EL seit Anfang 2018 an neuen Produkten und führt Tests durch.

„Einer der Hauptgründe, warum ich hier arbeite, ist, dass ich etwas verbessern will und nicht nur von der Technik profitieren möchte. Ich will an den Punkten ansetzen, wo ich denke, dass es wirklich etwas hilft.“

Das Thema Hören prägt Felix’ Leben

Als Felix seinen Ausbildungsweg beginnt, trägt er selbst noch kein CI: Mit knapp drei Jahren wird bei ihm festgestellt, dass er auf beiden Seiten hochgradig schwerhörig ist. Er bekam ein Hörgerät, besuchte eine Regelschule mit frequenzmodulierter Anlage: Hier trug der Lehrer ein Gerät, das die Signale an Felix’ Hörgerät weitergab: „Das, was der Lehrer gesagt hat, konnte ich gut verstehen. Sobald aber die Mitschüler gesprochen haben, ist das völlig an mir vorbeigegangen.“ Besser wurde diese Situation erst im Studium, erinnert sich Felix und lacht: „Das war leichter, weil von den Studenten normalerweise kein Input kommt. Da ist es echt so: Einer spricht und alle hören zu.“

Weil in seinem Leben die Akustik eine so große Rolle spielt, entschied sich Felix für das Studium der Technischen Physik. „Ich habe auch Schwerpunkt Akustik und Messtechnik genommen. Dafür habe ich mich schon immer interessiert, weil es Teil meines Lebens ist und es war für mich ein Antrieb.“ Felix wusste damals bereits über die Möglichkeit eines CIs Bescheid, dachte jedoch nicht, dass er selbst je eines nutzen würde.

Doch dann erlitt er mehrere Hörstürze und begann, sich zu informieren: Der Gedanke, dass er ein CI möchte, reifte. Im Jahr 2016, da war er 26 Jahre alt und hatte gerade sein Studium abgeschlossen, ließ er sich schließlich links implantieren.

Die große Sorge: Hält das CI, was es verspricht?

„Meine größte Sorge war die Ungewissheit, ob es etwas bringt. Vier Wochen nach der OP hatte ich dann die Erstanpassung und habe nichts verstanden. Nichts. Null. Ich konnte weder ein Klavier noch eine Stimme unterscheiden. Gar nichts. Da war natürlich erstmal die Enttäuschung da. Ich wurde zwar vorgewarnt, denn nur die Wenigsten kommen mit der Ersteinstellung raus und können etwas verstehen.“

Felix absolvierte eine ambulante Reha, trainierte einmal die Woche mit einer Logopädin. Sein Einsilben-Verständnis, das vor der Operation nur mehr bei knapp 35 Prozent lag, stieg auf 40 bis 50 Prozent. Er war nicht zufrieden. „Dann bin ich aber zum Glück in eine stationäre Reha und da habe ich fünf Wochen verbracht. Da steigerte ich mich von 50 auf 90 Prozent in fünf Wochen. Nach der Reha war mir klar, ich muss die andere Seite unbedingt auch machen.“

Der stationäre Aufenthalt war für ihn ausschlaggebend, ohne die Reha „wäre ich niemals da, wo ich heute bin.“

So früh als möglich implantieren

Rückblickend würde Felix heute viel früher implantieren. „Damals, als ich ein Kind war, war ein CI für mich undenkbar. Die Implantate waren immer mit Kabeln und Rucksack verbunden und ich wollte Fußball spielen und Sport machen. Dann wäre das alles nicht möglich gewesen“, erzählt Felix. Doch der Unterschied vom Hörgerät zum CI sei unglaublich.

„Natürlich hängt das immer davon ab, wie viel Restgehör noch vorhanden ist, aber ein CI erreicht ein ganz anderes Level als ein Hörgerät schaffen kann.“

Eine komplett neue Erfahrung war für ihn auch das Stereo-Hören, das räumliche Hören. Das kannte er bisher mit Hörgeräten nicht: „Und jetzt, auf einmal funktionierte das einwandfrei.“ Es ist der ausschlaggebende Grund für Felix, auch die rechte Seite implantieren zu lassen. „Da habe ich erstmals gemerkt, wie schlecht ich wirklich mit dem Hörgerät höre. Für viele Leute ist es der Ist-Zustand. Ich habe es nie anders kennengelernt, ich wusste nicht, wie viel besser die anderen hören können.

Natürlich sehe ich die Kurven bei den Tests, aber die Aussage dahinter, dass es so viel ausmacht, das war mir nicht bewusst“, erzählt Felix.

Von den eigenen Erfahrungen profitieren

Für den Oberfranken war die zweite Implantation eine große Chance. Zweifel gab es aber trotzdem: „Ich habe natürlich auch lange mit mir gerungen und überlegt, vielleicht sollte ich mir das eine Ohr für neue Technologien offenhalten? Aber was bringen mir in zehn Jahren neue Technologien, wenn ich jetzt lebe? Daher bin ich der Meinung, dass man das so schnell wie möglich machen sollte, so jung wie möglich.

Felix sieht seine Arbeit als Win-Win-Situation: „Ich bin am Standort und auch hier in der Entwicklung der Einzige, der selbst betroffen ist. Durch meine eigene Reha habe ich ein sehr breites Spektrum von CI-Nutzern kennengelernt: Junge Menschen und ältere Betroffene mit Geräten von verschiedenen Herstellern. Dieses Wissen versuche ich in meine Meinung mit einfließen zu lassen.“ Um die Technik der CIs in Zukunft noch nutzerfreundlicher zu gestalten, hat Felix viele Ideen und Wünsche. „Ich beschäftige mich ja 24 Stunden am Tag damit.“ Beruf und Privates sind für ihn zu einer Aufgabe geworden:

„Das wollte ich auch. Ich wollte mein Schicksal zur Berufung machen. Ich weiß genau, wofür ich arbeite.“

Bildnachweis: Felix Fischer

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