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Schritte zu noch besserem Hören – Wer beteiligt sich an den Kosten?

Wer schlecht hört, der braucht ein Hörgerät, im Extremfall ein Hörimplantat und dann ist alles wieder wie früher. Das glauben viele. Doch so einfach ist es nicht. Für viele Hörsituationen braucht es Zusatztechnik. Fragt sich, was es gibt und wer sich an den Kosten beteiligt. Eine Übersicht für Deutschland.

Von unserem Hörbotschafter Torsten

An sich sollte man zufrieden sein: Nach Anpassung der (neuen) Hörgeräte oder der Versorgung mit Hörimplantaten ist zumindest ein großes Stück des Weges hin zu größerem Hörgenuss und besserer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zurückgelegt. Und ja, es ist ein unglaublicher Genuss, wieder die Vögel singen zu hören, schöner Musik zu lauschen und mit Familie, Verwandten und Freunden diskutieren zu können. Aber immer häufiger ergeben sich Situationen, in denen man mit Hörhilfen oder Implantaten an seine akustischen Grenzen stößt. Sobald nämlich der Umgebungslärm zu groß wird oder sich zu viele Menschen um einen herum Wortgefechte liefern, verschmelzen Stimmen und Geräusche zu einer grellen und ohrenbetäubenden Kakophonie. Außerdem: Wie soll ich aufwachen, wenn ich das Klingeln des Weckers nicht hören kann, wie dem Postboten die Tür öffnen, wenn er klingelt, ich das aber nicht mitkriege?

Technische Hilfsmittel, quasi die Retter in der Not, gibt es eine ganze Reihe. Das wissen aber nur die wenigsten. „Nach unserer Erfahrung haben mehr als 80 Prozent der Menschen mit Hörschädigungen keine Zusatzgeräte“, sagt Peter Drews, Vorsitzender des Bunds der Schwerhörigen in Hamburg (BdS-HH). Und noch viel weniger Menschen ist bekannt, dass die Krankenkassen gesetzlich dazu verpflichtet sind, Hörhilfen und bestimmtes Zubehör zu bezahlen, wenn dies aus medizinischer Sicht notwendig ist. Hier ein Überblick darüber, mit welcher Technik sich Betroffene das Hören noch erleichtern und wer die Kosten dafür übernimmt beziehungsweise sich zumindest maßgeblich daran beteiligt.

Hier ein Überblick, darüber wer die Kosten für zusätzliche Technik übernimmt bzw. sich zumindest maßgeblich daran beteiligt. Nächste Woche dann mehr zur Technik

Eines vorweg: Überlegungen oder Diskussionen über Hörhilfen und zusätzliche Geräte machen nur Sinn, wenn ein Arzt überhaupt eine Hörbeeinträchtigung festgestellt hat. Bei der Frage, ob der Betroffene finanzielle Unterstützung erhalten kann, spielt auch der Grad der Hörbehinderung eine entscheidende Rolle. Antworten bringt nur eine Untersuchung beim HNO-Arzt. Gerne wird man anschließend wie ein Pingpongball zwischen den Kostenträgern hin- und hergeschickt. Jeder versucht damit, sich aus Verantwortung und Zahlungspflicht zu stehlen. Doch § 14 SGB IX regelt, dass ein Kostenträger innerhalb von zwei Wochen entscheiden muss, ob er zuständig ist oder nicht. Fühlt er sich als nicht verantwortlich, muss er den Antrag an den Kostenträger weiterleiten, der seiner Einschätzung der richtige Ansprechpartner ist. Und der muss sich dann auf jeden Fall mit dem Antrag auf Kostenbeteiligung auseinandersetzen.

Wermutstropfen: Bei Anträgen auf Kostenübernahme brauchen Hörgeschädigte einen langen Atem. „Wer einen Antrag einreicht, bei welcher Stelle auch immer, sollte aber grundsätzlich davon ausgehen, dass dieser ein-, nicht selten aber auch mehrfach abgelehnt wird“, weiß BdS-Vorsitzender Drews aus Erfahrung. Viele Antragsteller geben dann auf. Damit rechnen die Kostenträger, denn jede nicht erfolgte Zahlung entlastet deren Budget. Da hilft nur, hartnäckig zu bleiben und immer wieder Widerspruch gegen die Bescheide einzulegen, notfalls sogar einen Anwalt einzuschalten. Noch besser fährt, wer Mitglied in einem der Interessenverbände der Schwerhörigen und Ertaubten (www.schwerhoerigen-netz.de) oder in einem der Gehörlosenvereine (www.gehoerlosen-bund.de) ist. Dort gibt es neben fachkundiger Rechtsberatung regelmäßig auch die Möglichkeit, Geräte auszuleihen und in Ruhe zu Hause auszuprobieren.

Zurück zur Frage, wo Hörgeschädigte finanzielle Unterstützung erwarten können. Dies sind:

  • Krankenkassen
  • Agentur für Arbeit
  • Integrationsamt
  • Rentenversicherung
  • Sozialhilfeträger
  • Gesetzliche Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft)

Krankenkassen: Sie sind in den allermeisten Fällen der erste Ansprechpartner. Egal, für was ein Versicherter finanzielle Unterstützung anfragt: Krankenkassen sind für die Finanzierung von Hilfsmitteln zuständig, die privat oder in der Schule genutzt werden. Für Kinder, die sich in einer Ausbildung oder in einem Studium befinden, sind andere Kostenträger zuständig.

In der gesetzlichen Krankenversicherung gilt das sogenannte Sachleistungsprinzip. Das heißt: Bei der Hörgeräteversorgung wird eine Verordnung durch den HNO-Arzt benötigt. Welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit eine Verordnung ausgestellt werden darf, hat der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen festgelegt: Neben detaillierten Bestimmungen zum Grad des Hörverlusts muss der Versicherte in der Lage sein, Hörgerät oder Implantat zu bedienen. Hörhilfen und Zubehör können dann bei solchen Anbietern gekauft werden, die mit den Krankenkassen Verträge geschlossen haben. Das sind zum Beispiel Hörgeräteakustiker oder Kliniken, aber auch einige Online-Anbieter. Nur in Ausnahmefällen können sich Hörgeschädigte das gewünschte Hilfsmittel selbst besorgen und den Kaufpreis von der Krankenkasse erstattet bekommen.

Für privatversicherte Patienten gelten individuelle Regelungen, je nach abgeschlossenem Vertrag.

Arbeitsagentur für Arbeit: Die ist nur für Leistungen im beruflichen Bereich zuständig, und auch nur dann, wenn der Antragsteller weniger als 15 Jahre sozialversicherungspflichtig gearbeitet hat. Dabei kommt eine Übernahme der Kosten – auch für weitere Hilfsmittel, wenn diese zur Berufsausübung notwendig sind – laut Urteil des Bundessozialgerichts „…nur dann in Betracht, wenn im Zusammenhang mit der Berufsausübung spezifische Anforderungen an das Hörvermögen gestellt werden und deshalb ein zusätzlicher Bedarf besteht, der im Rahmen der Regelversorgung durch die Krankenkassen nicht abzudecken ist.“ Die Agentur für Arbeit übernimmt aber nicht die Gesamtrechnung, sondern nur die Mehrkosten, die über den Festbetrag der Krankenkassen hinausgehen.

Integrationsämter: Stichwort ist hier „Begleitende Hilfe im Arbeitsleben“. Nicht ganz einfach ist die Abgrenzung der Zuständigkeit der Integrationsämter von zum Beispiel Arbeitsagentur oder Rentenversicherungsträger. Grundsätzlich gilt aber, dass Integrationsämter nur für Personen mit einer anerkannten Schwerbehinderung (Grad der Behinderung mindestens 50) oder für Personen, die schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind, aktiv werden. Außerdem beteiligen sich die Integrationsämter nur dann an den Kosten, wenn die Rehabilitationsträger – dazu gehören die Rentenversicherung, die Arbeitsagentur und die Gesetzliche Unfallversicherung – nicht zuständig sind.

Auf einen einfachen Nenner gebracht: Rehabilitationsträger sind dann der richtige Ansprechpartner, wenn sich eine Behinderung einstellt oder sich der Gesundheitszustand einer Person verschlechtert hat. Handelt es sich dagegen um eine Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen, ist das Integrationsamt zuständig. Folglich übernehmen die Integrationsämter die Kosten für zusätzliche hörtechnische Arbeitshilfen, zum Beispiel für Sprachübertragungsanlagen und Telefonverstärker, nicht aber für bessere Hörgeräte oder Implantate.

Rentenversicherung: Die ist nur für Hilfsmittel am Arbeitsplatz zuständig, und nur dann, wenn der Versicherte mindestens 15 Jahre sozialversicherungspflichtig gearbeitet hat. Erbracht werden „Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“. Das ist eine etwas schwammige Erklärung, bedeutet im Kern aber, dass die Rentenversicherung für Hilfsmittel bezahlt, die die Erwerbsfähigkeit herstellen, erhalten, oder verbessern. Ein Hilfsmittel wird mit anderen Worten nur dann finanziert, wenn es für die Verrichtung bestimmter Berufe oder Berufsausbildungen notwendig ist. Die Hürde für das Vorliegen eines berufsbedingt höherer Hörbedarfs ist sehr hoch, die Rentenversicherung nennt hier beispielhaft Berufe wie Klavierstimmer oder Tonmeister. Der Rentenversicherung vorzulegen sind eine ausführliche Arbeitsplatzbeschreibung des Antragstellers mit Bestätigung des Arbeitgebers, eine ärztliche Verordnung und ein Anpassbericht über die getesteten Geräte.

Da Implantate und Hörgeräte in der Regel nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch im Privatbereich getragen werden, sehen sich die Rentenversicherungsträger nur in Ausnahmefällen für deren Finanzierung zuständig. Das ist dann der Fall, wenn berufliche Gründe etwa für die Anschaffung eines höherwertigen Geräts sprechen, die Kosten aber über der Pauschale der Krankenkassen liegen.

Sozialhilfeträger: Leistungen der Sozialhilfe kann ein Antragsteller nur dann erhalten, wenn er die notwendigen Geräte nicht aus eigener Tasche finanzieren kann und kein anderer Kostenträger zur Finanzierung verpflichtet ist. Leistungen werden darüber hinaus einkommens- und vermögensabhängig gewährt. Sozialhilfeträger übernehmen die Kosten für Hörgeräte, Hörtrainer und Weckuhren. In der Regel gelten auch hier die von den Krankenkassen festgelegten Kostenpauschalen. Aber auch andere Hilfsmittel wie Gebärdensprachdolmetscher für die Ausbildung können im Rahmen der Eingliederungshilfe finanziert werden. Das Bundessozialgericht hat darüber hinaus entschieden, dass schwerhörige Sozialhilfeempfänger gegenüber dem Sozialamt einen Anspruch auf Zahlung der Batterien für ihre Geräte haben.

Gesetzliche Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft): Die gesetzliche Unfallversicherung wird dann aktiv, wenn ein Arbeits- oder Wegeunfall oder eine Berufskrankheit Ursache einer Behinderung sind. Übernommen werden die Kosten für Hilfsmittel, die den Erfolg der Heilbehandlung sichern oder die Folgen von Gesundheitsschäden mildern oder ausgleichen. Das Hilfsmittel muss ärztlich verordnet sein. Dabei gelten dieselben Festbeträge wie bei den Krankenkassen, die Betroffenen müssen also Mehrkosten für zum Beispiel teurere Geräte selbst tragen. Nur in Einzelfällen finanzieren die Versicherungsträger auch höhere Beträge für geeignete Geräte. Je nach Art der Hörminderung und Lebensumständen bezahlt die Gesetzliche Unfallversicherung auch Zusatzgeräte wie Klingel-, Telefon- und Bewegungssender mit Lichtsignalen oder einen Lichtwecker.

 

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