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philippe_klavier

Philippe

aus Bern (Schweiz)

Einseitig implantiert
Cochlea-Implantatbenutzer
Genetisch bedingter Hörverlust
Gemeindeangestellter

Philippe, 39 Jahre, aus Bern in der Schweiz, war schon als Kind schwerhörig. Nach mehreren Hörstürzen verlor er sein Gehör ganz und hört seitdem mit einem Cochlea-Implantat.

Erfahrungsbericht Philippe

1. Wann und warum ist dein Hörverlust aufgetreten? Und wie stark ist er?
Mein Hörverlust ist vermutlich genetisch bedingt. Ich war schon von Geburt an schwerhörig. Allerdings bemerkte erst die Kindergärtnerin meinen Hörverlust, weil ich nicht oder unpassend reagierte. Nach eingehenden Untersuchungen stellten die HNO-Ärzte einen mittleren Hörverlust am rechten Ohr fest. Links hörte ich damals noch sehr gut, rechts weniger. Während meiner Schul- und Ausbildungszeit nahm mein Hörvermögen rechts weiter ab, dennoch beeinträchtigte mich das noch nicht allzu stark.
Mit 22 Jahren erlitt ich meinen ersten Hörsturz am linken Ohr, auf den noch weitere folgen sollten. Mit ca. 30 Jahren war ich links so gut wie taub. Konnte ich am Anfang mit Im-Ohr-Hörgeräten noch gut verstehen, so wurden nach den wiederholten Hörstürzen selbst die besten Hinter-dem-Ohr Hörgeräte zu schwach.
2. Wie wirkte sich der Hörverlust auf Ihren Ausbildungsweg aus?
Ich besuchte trotz meiner Hörprobleme eine Regelschule. Das ging allerdings nicht ohne viel Hörtraining. In meiner Freizeit lernte ich unzählige Stunden mit meiner Mutter, las viele Bücher laut, um meine Aussprache und Rechtschreibung zu festigen. Dadurch eignete ich mir einen großen Wortschatz an und konnte vieles ausgleichen und mit meinem normalhörenden Umfeld mithalten. So schloss ich auch meine kaufmännische Ausbildung ohne Probleme ab.
3. Wie haben Sie Ihre Schwerhörigkeit empfunden? Wie war Ihr Umfeld?
In meiner Familie trägt niemand ein Hörgerät. Da ich eine Regelschule besuchte, hatte ich neben einer normalhörenden Familie auch ausschließlich normalhörende Freunde. Als Kind und Teenager war meine Schwerhörigkeit noch kein dominantes Thema, denn ich hörte eigentlich gut auf meinem linken Ohr.
4. Wann und wie haben Sie von der Möglichkeit eines Hörimplantats erfahren?
Ich hörte und las immer wieder einmal über Cochlea-Implantate. Für mich waren sie allerdings lange Zeit kein Thema. Als ich kaum mehr etwas hörte, reduzierte sich meine Lebensqualität beruflich und privat stark. Die Experten am Inselspital in Bern legten mir eine Cochlea-Implantation nahe.
5. Wie haben Sie die Entscheidung zum CI abgewogen?
Ich habe sehr viele Gespräche mit dem CI-Team vom Inselspital Bern geführt. Am wichtigsten empfand ich die Gespräche mit einem anderen CI-Nutzer. Er hatte viel Erfahrung mit dem CI und erklärte mir seinen Blickwinkel, seine persönliche Meinung über das Implantat. Dieser Herr hat mir viel Mut gemacht für die Operation. Ich sah live, wie groß der Prozessor am Ohr war.
Ich musste abwägen, ob ich mit meinem schweren Hörverlust weiterleben wollte, oder ob ich den Schritt zur Operation wagen sollte. 2012, mit 32 Jahren, entschloss ich mich, mein linkes Ohr mit einem CI versorgen zu lassen.
6. Wie wurden Sie von Ärzten, Freunden, Familie und Kollegen unterstützt?
Meine Familie und mein Freundeskreis kennen mich nicht anders. Sie wissen alle, dass ich manchmal nicht alles sofort verstehe. Auch meine Partnerin, die ich kurz vor meiner CI-Operation kennengelernt habe, konnte sich gut auf meine Situation einstellen.
Meine Arbeitskollegen kennen meine Hörsituation und unterstützen mich, wann immer es notwendig ist. Sie fragen nach, wenn Sie den Eindruck bekommen, dass ich etwas nicht verstanden habe.
Bei Fortbildungen informiere ich aktiv meine Lehrer und Mitlernenden, dass ich schlecht höre. So können sie sich auf die Situation einstellen.
7. Wie erging es Ihnen nach der Implantation?
Rückblickend war die Entscheidung für das CI das Beste, was ich gemacht habe.
Nach der Operation musste ich mich noch 3 Wochen gedulden, bis es endlich mit dem Hören losgehen konnte. Gleich nach der Aktivierung empfand ich die ganze Welt als sehr laut. Die vielen Geräusche um mich herum waren nach Jahren der Stille sehr ungewohnt für mich.
Nach einem intensiven Hörtraining kam die Erinnerung an vieles zurück, was ich früher hören konnte. Mit meinem CI kam ich gut und sehr schnell zurecht. Hören ist wie Radfahren: Wer einmal zu hören und zu sprechen gelernt hat, vergisst es nicht mehr.
Auch die Prozessoreinstellungen trugen ihren Teil zu meinem guten Hören bei. Kurz nach der Operation war ich oft im Inselspital zur Feineinstellung, mittlerweile gehe ich nur noch einmal pro Jahr zur Kontrolle, weil alles passt.
8. Was hat sich seit der Implantation verändert? Was genießen Sie am meisten am wieder Hören?
Das CI hat mir ein neues Leben geschenkt. Ich höre so gut wie nie zuvor, kann arbeiten, im Alltag wieder an allem teilnehmen, was mir schon immer Spaß gemacht hat, ich kann mich unterhalten, telefonieren, musizieren und Musik hören.

Vor meinen Hörstürzen spielte ich Klavier. Die Musik ging mir mit dem immer schlechter werdenden Gehör allmählich verloren. Sie klang einfach nicht gut. Mit meinem CI habe ich viel Hörtraining gemacht und wieder einen Zugang zur Musik gefunden. Ich spiele mittlerweile wieder auf einem E-Piano, hauptsächlich klassische Stücke. Als Musikkonsument gefallen mir die verschiedensten Stilrichtungen, Pop, Boogie, alles quer durch die Bank. Sogar Konzerte besuche ich mit CI heute wieder gern.
Ich freue mich auch über die alltäglichen Geräusche, die singenden Vögel beim Spaziergang im Wald. Ein für mich sehr eindrückliches Erlebnis war, als ich das Grasen der Kühe wieder hören konnte, wenn ich mit meiner Partnerin wandern gehe. Das hatte ich viele Jahre nicht mehr hören können, es war in Vergessenheit geraten. Dank dem CI konnte ich sehr vieles zurückgewinnen.
9. Haben Ihr Hörverlust und das Implantat Auswirkungen auf Ihre Karriere?
Ich arbeite in der Gemeindeverwaltung. Weiterbildungen sind in meinem Beruf wichtig, doch vor der Implantation konnte ich den Schulungen nicht mehr folgen. Mit CI bekomme ich in Schulungen wieder alles mit.
Mein Arbeitgeber war generell sehr tolerant und ist es auch heute noch. Nach der Operation absolvierte ich eine Hör-Reha und war insgesamt drei Monate im Krankenstand. Auch wenn ich Kontrolltermine habe, hat mein Arbeitgeber Verständnis. Er stellte mir außerdem ein Spezialtelefon zur Verfügung, mit dem das Telefonieren sehr gut funktioniert.

10. Was möchten Sie Betroffenen und Ihren Angehörigen mit auf den Weg geben?
Sprechen Sie vor der Implantation unbedingt mit Menschen, die bereits ein CI haben und den ganzen Weg zum wieder Hören schon selbst erlebt haben. Dieser Erfahrungsaustausch war für mich das wichtigste. Die Personen, die täglich mit einem CI leben, wissen am allerbesten, wie das Leben mit CI wirklich ist.