Aarons Geschichte ist außergewöhnlich – und sie macht Mut: Er wurde mit dem CHARGE-Syndrom geboren und schon als Kleinkind mehrfach operiert. Dank CI, Lesegerät und viel Unterstützung konnte er die Regelschule in seinem Heimatort besuchen und schmiedet nun Pläne für die Zukunft.
„Ich hatte Angst: Was mache ich mit einem taubblinden Kind?“ Sechs Wochen vor dem Geburtstermin erfuhren Veronika und Shaun Joynson, dass ihr Sohn seh- und hörgeschädigt zur Welt kommen wird.
„Da kann man sich nichts darunter vorstellen. Aber du musst ja schauen, dass sich dieses Kind super entwickelt, dass es selbstsicher ist und sich einfach zurechtfindet. Und das war unser Ziel, von Anfang an.“
Die Ärzte diagnostizierten bei Aaron das CHARGE-Syndrom: Diese seltene genetische Störung kann sich auf verschiedene (Sinnes-) Organe auswirken. Die häufigsten Symptome sind Kolobome der Augen, Herzfehler, Choanalatresie, Beeinträchtigung von Wachstum und Entwicklung, Anomalien der Geschlechtsorgane und Ohrfehlbildungen.
37 Stiche für das CI
Schon als Kleinkind wurde Aaron deshalb mehrmals operiert. Eine herausfordernde Zeit für die ganze Familie: „Uns war nur wichtig, dass er das übersteht.“ Als Aaron drei Jahre alt wurde, sollte er ein Cochlea-Implantat bekommen. „Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir durch seine Herzoperationen immer andere Sorgen“, erzählt Aarons Mutter.
„Als ich dann später erfuhr, dass man schon mit vier Monaten hätte implantieren können, habe ich geweint. Du verlierst diese Zeit! Aaron hat drei Jahre lang nichts gehört. Das war heftig. Mir war nie bewusst, wie wichtig es ist, dass du hörst. Wie orientierst du dich? Wie passt du dich an? Wie reagierst du? Du setzt die Sprache mit einem Bild zusammen. Es muss ja alles zusammenpassen.“
Die Implantation auf der linken Seite wurde 2003 durchgeführt: 37 Stiche waren damals noch nötig, um die Hörlösung implantieren zu können.
„Ich weiß noch, wie ich die Narbe berührt habe. Das war mir wichtig, um nicht nur Mitleid zu empfinden“, erinnert sich Veronika.
Die Erstanpassung nahm sie auf Video auf. „Ich hatte auch große Angst um ihn.“ Auch deshalb wurde Aaron erst 2005 auch auf der rechten Seite implantiert. Heute macht Veronika anderen Müttern Mut, deren Kinder ein CI benötigen und nimmt ihnen die Angst vor dem Eingriff.
Ganz selbstverständlich integriert
Die Familie begann trotz der anstehenden Operationen schon früh Aaron zu fördern und alles daran zu setzen, damit er ein möglichst normales Leben führen kann. „Im Kindergarten waren wir von Anfang an integriert. Für uns war es selbstverständlich, dass unser Kind wie jedes andere in den Kindergarten gehen soll. Die Leiterin der Kindergartengruppe in St. Anton am Arlberg kam aktiv auf uns zu und bot Aaron einen Platz in ihrer Gruppe an, jeweils eineinhalb Stunden am Tag. Anfangs erschien uns das im Vergleich zu anderen Kindern zu wenig, aber länger hätte ihn überstrapaziert.“
Aaron besuchte anschließend die Volks- und Hauptschule in seinem Heimatort. Hier hatte er nicht nur das CI als Unterstützung, sondern auch ein spezielles Lesegerät für stark Sehgeschädigte. Außerdem an seiner Seite: sein Stützlehrer.
„Ich war acht Schuljahre in St. Anton, das war gut. Ich bin immer ganz in der letzten Reihe gesessen und habe alles alleine gemacht, mit meinem Stützlehrer Lukas“, erinnert sich Aaron.
Zu den Lehrkräften hatte Familie Joynson stets großes Vertrauen: „Jeder will ja das Beste geben und da will ich als Mutter den Lehrern freie Hand lassen. Ich habe stets angeboten, dass man Rücksprache halten kann, wenn etwas auffällt, wenn etwas komisch ist. Ich habe immer gesagt, wir können darüber reden und dadurch vieles vermeiden. So kannst du dem Kind und auch dem Lehrer helfen und jeder kann sich entwickeln.“
Aarons Plan für die Zukunft
Nach acht Jahren in St. Anton am Arlberg hat es Aaron jetzt nach Innsbruck geführt. Dort besucht er die Landesblinden- und Sehbehindertenschule und wohnt im dazugehörigen Internat. „Ich bin im zweiten Jahr. Es gefällt mir sehr“, erzählt der mittlerweile 18-jährige.
Auch für seine Zukunft hat sich Aaron nach vielen Gesprächen mit seinen Eltern einen Plan zurecht gelegt:
„Ich will Koch werden. Dafür muss ich nach der Schule in Innsbruck für ein Jahr nach Graz gehen.“
Noch hat Aaron einen letzten Stützlehrer, dann ist er auf sich alleine gestellt. „Aber ich schaffe es“, ist er überzeugt und erzählt von der eigenen Wohnung, die er dann haben wird: „Dort werden dann überall Bücher und Spielsachen aufgestellt.“
Auch seine Mutter sieht der Zukunft positiv entgegen:
„Natürlich wird es für mich schwierig, wenn er nach Graz geht. Dann kommt er nur mehr alle drei oder vier Wochen nach Hause. Aber ich wollte ihn nie an mich binden, um ihm Stärke und Selbstsicherheit zu geben. Und wir müssen als Eltern lernen, loszulassen. Ich bin davon überzeugt: Er wird seinen Weg gehen.“
Bildnachweis: Familie Joynson